Das Rosenheimer Forum für Städtebau und Umweltfragen hat 2017 ein Diskussionspapier zum Thema Bürgerbeteiligung in Rosenheim verfasst. Es steht in direktem Zusammenhang mit diesem Aufruf für eine bessere Stadtentwicklungspolitik aus dem selben Jahr. Auch wenn aktuell in Rosenheim potentiell positive Wege der Beteiligung im Rahmen des ISEK beschritten werden, bleiben wir kritisch. Die Forderungen von vor sieben Jahren haben auch im Jahr 2024 noch Bestand:

Diskussionspapier:

Ziele und Wünsche für eine zukunftsfähige Kommunikation in der Stadtgesellschaft

Ziel und Grundsatz:

Bürgerbeteiligung ist auch in Rosenheim nicht mehr wegzudenken. Würden die ehrenamtlich Tätigen ihre Aktivitäten einstellen, käme das einem Zusammenbruch von Dienstleistungsangeboten vor allem im sozialen Bereich gleich, der die Stadtgesellschaft schwer belasten würde. Während „ausführende“ Bürgerbeteiligung erwünscht ist, gibt es Widerstände gegen „mitgestaltende“ Bürgerbeteiligung, vor allem in Fragen der Stadtentwicklung.

„Mitgestaltung durch Bürgerbeteiligung ist ein konstitutives Element einer lebendigen repräsentativen Demokratie und wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige, integrierte Stadtentwicklung. Sie legitimiert Mehrheitsentscheidungen des Stadtrates als Ausdruck des Gemeinwohls und verbessert die Qualität und Akzeptanz von Planungen.“ (Deutscher Städtetag, Beteiligungskultur in der integrierten Stadtentwicklung, Berlin und Köln 2013)

Dieses Verständnis von Bürgerbeteiligung geht über gesetzlich geregelte Verfahren bei der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen hinaus. Wir verstehen den Stadtrat als gewähltes Entscheidungsgremium, das sich zwischen den Wahlen nicht von den Bürgerinnen und Bürgern und ihren Diskussionen um die Stadtentwicklung isolieren darf. Vielmehr müssen die gewählten Vertreter die Bürgerinnen und Bürger und ihre Meinungen ernst nehmen und mit ihnen kommunizieren. Die hohe zeitliche Belastung der ehrenamtlich tätigen Stadträte darf kein Argument sein, auf Kontakte mit allen aktiven Bevölkerungsgruppen zu verzichten. Denn der Stadtrat kann Vorkehrungen treffen, die ihm den Austausch mit den Bürgern erleichtern. Dazu gibt es Beispiele in anderen Städten.

Instrumente zur Zielerreichung:

Wir formulieren unsere Ziele möglichst umfassend. Wir beschränken sie nicht schon deshalb, weil sie in dieser Amtsperiode des Stadtrats nicht realisierbar erscheinen.

Wir erwarten vom Stadtrat, dass er sich einer kontinuierlichen Beteiligung der Bürger an den Entscheidungsfindungsprozessen der Stadtentwicklung öffnet. Er sollte sich über gelingende Bürgerbeteiligung in anderen Städten unvoreingenommen informieren.

Wir fordern für Bürgerinnen und Bürger

  • ein aktives und passives Informationsrecht
  • Bürgerinnen und Bürger werden rechtzeitig, klar und verlässlich über anstehende Entscheidungen informiert; dabei sollte nicht nur ein Planentwurf, sondern auch mögliche Alternativen vorgestellt werden
  • Bürgerinnen und Bürger können Informationen bei der Stadt einholen („gläsernes Rathaus“);
  • ein Recht der Bürger auf Anhörung vor Entscheidungen, die wesentliche Belange der Stadt betreffen;
  • ein Recht der Bürger auf Antwort der Stadt zu ihren Meinungsäußerungen
    • bei institutionalisierten Verfahren,
    • bei individuellen Eingaben;
  • eine Unterstützung der Bürger, die sich in Fragen der Stadtentwicklung weiterbilden;
  • Mittel, die sie eigenverantwortlich in ihrem Stadtteil einsetzen können.

Wir fordern, dass diese Rechte in einer kommunalen Satzung verankert werden.

Wir fordern von Bürgerinnen und Bürgern, dass sie die Beteiligungsrechte erkennen und sich für ihre Stadt engagieren. Sie dürfen diese Rechte nur für das Gemeinwohl nutzen und nicht versuchen, individuelle Interessen damit durchzusetzen.

Wir fordern von Bürgerinnen, Bürgern, Stadtrat und Verwaltung, dass sie von Anfang an Bürgerbeteiligung als einen Lernprozess für alle Beteiligten verstehen.

Rosenheim, 21.4.2017

Vorstand
Claudia Grosse, Dr. Hermann Biehler, Rainer Heinz

Zur Beteiligung beim Rosenheimer ISEK